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Case Study Niederlande: auf Umwegen Richtung Briefkasten

In diversen europäischen Staaten sprechen sich Umweltinitiativen dafür aus, die Verteilung von unadressierter Haushaltswerbung auf Papier einzuschränken. Einige niederländische Städte haben bereits konkrete Regelungen umgesetzt. Reaktionen von Verlagen, Verteilunternehmen und Werbetreibenden zeigen allerdings: Mit ein wenig Kreativität müssen veränderte Rahmenbedingungen kein K.-o.-Kriterium für Prospektwerbung sein.

Türkise Briefkästen in den Niederlanden

Albert Verlinde hat wertvolle Tipps parat. „Was Amsterdam von Braband lernen kann“, will der auf dem Cover abgebildete Theaterregisseur den Lesern von „CITY“ erzählen. Seit Mitte 2018 finden die Amsterdamer das Stadtmagazin mit den vier großen roten Lettern wöchentlich in ihren Briefkästen. Die Zeitschrift kombiniert Interviews mit lokalen Größen, Veranstaltungstipps und lokalpolitische Geschichten – und nicht zuletzt ganze Prospektseiten von lokalen Geschäften.

Die Einführung des neuen Stadtmagazins ist eine Reaktion auf das sogenannte „Opt-In“-System für Haushaltswerbung. Das bedeutet: Statt - wie in Deutschland - Werbung ausdrücklich per Aufkleber am Briefkasten zu verweigern, müssen die Bürger in den von der Opt-In-Regelung betroffenen Städten (Amsterdam, Haarlem, Utrecht, Tilburg und Den Haag) nun ausdrücklich zustimmen. „Ja/Ja“ steht auf dem Sticker, der dem Zusteller den Einwurf von Werbeprospekten und kostenfreien Anzeigenblättern erlaubt. Außerdem gibt es noch die „Nee/Ja“-Variante, bei der der Einwurf von Anzeigenblättern erlaubt ist, der Einwurf von Prospekten allerdings nicht.

LÖSUNG 1: REICHWEITE ERHÖHEN DURCH REDAKTIONELLEN INHALT

Das niederländische Verteilunternehmen SPOTTA schätzt, dass die Reichweite für direkt verteilte Prospekte durch das neue System bis Jahresende auf knapp 30 Prozent der Haushalte sinken wird.  „CITY“ darf durch seinen großen redaktionellen Anteil allerdings auch in „unbeklebte“ Briefkästen eingeworfen werden. So erreicht das Stadtmagazin eine Reichweite von knapp 50 Prozent der Haushalte. Das entspricht in etwa der Reichweite vor der Einführung von Opt-In. 

Durch gezielte Sticker-Verteilaktionen wollen SPOTTA, „CITY“ und auch einige Handelsketten zudem versuchen, die Zahl der „Ja/Ja“-Aufkleber zu erhöhen. SPOTTA verteilt die Aufkleber an Passanten auf der Straße, die Händler legen sie in ihren Filialen aus und nicht zuletzt liegen in „CITY“ drei Mal im Jahr Aufkleber für die Leser bei. So gewinnt man auch die Bürger, die eigentlich gerne Werbung erhalten würden, für die das Abholen des Stickers im örtlichen Rathaus aber zu mühsam ist.

LÖSUNG 2: UMSCHWUNG AUF'S DIGITALE

Die Prospektseiten als Anzeigen in „CITY“ abzudrucken, ist nur eine mögliche Lösung für Werbetreibende in den Opt-In-Gebieten. Andere Unternehmen setzen hingegen auf einen Ausbau der digitalen Angebotskommunikation. Ein internationales Unternehmen aus der Fashion-Branche startete beispielsweise gemeinsam mit MEDIA Central einen ersten Versuch, Angebote für seine knapp 100 niederländischen Filialen verstärkt über diverse digitale Kanäle auszuspielen. „Wir nutzen dafür die niederländische Prospekt-App Folderscheck sowie Facebook und Engagement Ads auf reichweitenstarken Webseiten“, erklärt Detlef Mager, stellvertretender Leiter Media & Marketing bei MEDIA Central. Im Rahmen des sogenannten „360-Grad“-Ansatzes von MEDIA Central wird der Prospekt außerdem auf den Google-„My Business“-Seiten der einzelnen Filialen eingebunden, sodass die digitalen Prospekte direkt in der Google-Suche und in Google Maps angezeigt werden.

Wenig Konkretes in anderen Ländern

Die Situation in den Niederlanden wirft die Frage auf, wie es um andere europäische Staaten in Sachen Haushaltswerbung steht.

In Frankreich kündigte Präsident Emmanuel Macron im Juni an, sämtliche Werbung in Papierform komplett verbieten zu wollen. Die konkrete Umsetzung lässt allerdings auf sich warten.

In Dänemark ging die Forderung nach einem kompletten Prospekt-Verbot gar von einem Händler aus. Die Supermarktkette COOP forderte die Regierung im Februar dieses Jahres in einem offenen Brief auf, die Prospekte komplett zu verbieten, um so gleiche Bedingungen für alle Werbetreibenden zu schaffen. Auch dort ist bisher allerdings nichts dergleichen geschehen.

In Deutschland sorgte Ende 2019 der Verein „Letzte Werbung“ für Aufsehen, der ein Opt-In-System wie in den Niederlanden forderte. Von den 50.000 benötigten Unterschriften für eine Petition kamen allerdings trotz großem medialen Interesse nur rund 18.000 zusammen. Zudem werden in Deutschland die meisten Prospekte ohnehin schon als Beilage zu kostenlosen Anzeigenblättern verteilt, die als Beitrag zu einer vielfältigen Presselandschaft einen hohen Schutz durch die Regierung genießen. Im vergangenen Herbst wurde erst eine Förderung von 220 Millionen Euro beschlossen, die in die Medienvielfalt, den Journalismus sowie die Digitalisierung der Verlage fließen soll.

Die drei Beispiele zeigen: Es gibt bisher wenig Konkretes, doch die Diskussion läuft und wird sich in den kommenden Jahren definitiv eher verstärken als abschwächen. Umso wichtiger ist, es die Alternativen zu kennen und auszutesten. Wir helfen Ihnen gerne dabei.